Am 1. Juli (Dienstag) hole ich Anna und Henny vom Flughafen in Mwanza ab. Angekommen in Bukoba zeigen wir ihnen unser Zuhause und gehen relativ schnell schlafen.
Am nächsten Morgen treffen wir den Regional Commissioner Fabian Massawe und starten unsere Rundreise durch Kagera, um Henny und Anna die renovierten Schulen zeigen und die beiden den Verwaltungsmitarbeitern der einzelnen Distrikte vorzustellen. Wir besichtigen u.a. die Rubondo School in Biharamulo, die Kaisho School in Kyerwa und die Buhororo School in Ngara. Ich nutze die Reise gleichzeitig um mich von den Mitarbeitern zu verabschieden. Über ein Jahr haben wir mehr oder weniger gut zusammen gearbeitet, Workshops und Wettbewerbe (Bonanzas) organisiert. Es gab oft Probleme mit der Kommunikation und ein paar Enttäuschungen, aber sie sind aus meiner Sicht flexibler als die Beamten in Deutschland. Gerade bei dem Ngara Distrikt fällt mir das Verabschieden schwer. Trotz der verspäteten Zahlungen durch die Regierung, trotz enorm weiter Wege und Sparmaßnahmen, hat dieser Distrikt immer Geld für Schulprojekte gehabt und die Investitionen in das Bildungssystem sind um vieles höher als in anderen Distrikten.
Zurück in Bukoba bereiten die Auswahltage mit den Bewerber_innen für die Stelle des Co Workers vor. Diese kommen am Montag (7.7.2014) an und werden von uns abgeholt.
Nach einem netten Abendessen mit den Kandidat/innen gehe ich mit anderen Freiwilligen auf ein großes Fest, welches zum heutigen Feiertag ausgetragen wird. Dort gibt es verschiedene Ausstellungen, Gerichte und Getränke. Auch selbst gebrannter Schnaps, Bananenwein und Bier gibt es relativ günstig. Als ich die anderen kurz verloren habe und mich im Freien aufhalte wird ein bewegungsloser Mann von der Tanzfläche getragen. Ich gelange zu Ihm und stelle fest, dass der Junge (mitte 20) eine verlangsamte Atmung und einen immer wieder verschwindenden Puls hat. Zeitgleich gibt es keine Reaktionen der Pupillen auf Licht. Während ich ihn in die stabile Seitenlage hieve, versammeln sich viele Schaulustigen an dem Ort, um sich das Spektakel anzuschauen. Es werden sogar einige Fotos gemacht. Die Polizisten, die dazu kommen, kümmern sich vielmehr darum, die Leute mit ihren Holzstangen von mir wegzuhalten, als mir zu helfen. Selbst Wasser, welches 5 Meter neben mir angeboten wird, wird nicht gebracht. Ich versuche verzweifelt, nach einem Arzt zu fragen, dessen Anwesenheit aber von den Polizisten verneint wird. Außerdem sei „er selber schuld, wenn er wegen Alkohol- und Drogenkonsum stirbt“. Auf einmal schreckt der betrunkene Mann hoch und kann sich kurz auf den Beinen halten, ehe er wieder umfällt und ich ihn wiederum in die stabile Seitenlage bringe. Ein Polizist, der versucht meine Telefonnummer für private Zwecke zu erfragen, wird sauer, als ich ihn ignoriere und droht mir, mich mit seinem Stock zu verprügeln. Denn auch die Polizisten sind nicht ganz nüchtern. Zum Glück greift der andere Polizist ein und ich werde weggeschickt. Ich lasse also den Mann, der wieder normal geatmet hat, zurück und bin völlig paralysiert. Ich muss aus dem Tumult raus und fahre, so schnell es geht, nach Hause. Es dauert noch Wochen, bis ich das Ereignis verarbeitet habe und der Vorfall bestätigt einzig und allein meine Vorurteile und meine Wut gegenüber dem Verhalten der Polizei in Bukoba. Aber auch in Deutschland hätten sich die meisten „Zuschauer“ nicht anders verhalten. Ich schlafe ein wenig, ehe der Wecker früh morgens klingelt: Der Auswahltag für die Bewerber_innen kann starten.
In einer langen Auswahlphase wurden aus 40 Bewerber/innen nach Besichtigung der schriftlichen Bewerbung und dem Telefonat mit Gonzaga und mir 4 Kandidaten nach Bukoba eingeladen, um sich verschiedenen Tests zu stellen. Um 8 Uhr werden die Kandidaten abgeholt und ins Mkoani (Regionales Verwaltungsgebäude) gebracht. Dort gibt es eine kleine Führung und Vorstellungsrunden. Nach einem Tee geht es dann los mit dem ersten Test, dem großen Interview. Hier werden die Bewerber in einer 30 Minütigen Befragung von Henny, Gonza, weiteren Mitarbeitern des Mkoani und mir empfangen. Das Interview beinhaltet immer dieselben 5 Fragen, die je nach Beantwortung mit bis zu 20 Punkten bewertet werden. Man bemerkt schnell den Unterschied zwischen den Kandidaten und die Expertise der Mkoani-Mitarbeiter hilft uns sehr bei einer differenzierten Kritik.
Nach einer kurzen Pause und dem Mittagessen fahren wir mit den Excel und Accounting Tests fort: Zuerst teste ich mit Hilfe eines Internet Tests die Excel Kenntnisse der Bewerber. Im zweiten Test werden die Bewerber in einer Einzelbefragung von Anna und Henny zum Thema Accounting interviewt. Die Bewerber/innen können entspannen und Kraft tanken, während wir uns auf den letzten Test vorbereiten: Dem kleinen Interview und der Feedback Runde. Den Kandidaten werden erneut Fragen auf Grundlage der Eindrücke gestellt. Bei der Feedback Runde erteilen wir den Kandidaten ein pädagogisches Feedback und bekommen für den Auswahltag von den Kandidaten ein positives zurück. Nach einem ereignisreichen Tag schauen wir uns das WM-Spiel an und fallen todmüde ins Bett. Am Ende des Auswahlprozesses entschieden wir uns für Imani. Sie wird in den kommenden Monaten bei Jambo Bukoba anfangen.
Bevor Henny abreist, besprechen wir noch wichtige Sachen wegen dem Accounting und der administrativen Fragen. Am WM-Finaltag bringen wir Henny morgens an den Flughafen und verabschieden sie. Die Besuche sind nicht nur anstrengend für die Besucher, sondern verlangen auch von uns einen enormen Aufwand. Um diesen zu minimieren, sollten sich Besuche – so schön sie auch sind- nicht allzu oft häufen, da wir sonst kaum zum arbeiten kommen. Nach einer gelungenen Abschiedsparty von Konstantin und Rebecca wird mir klar, dass ich nur noch eine Woche in Bukoba habe. Von dieser letzten Woche in Bukoba erzähle ich Euch im nächsten Beitrag!