Wie gesagt: Hinter mir liegen spannende Wochen mit vielen Eindrücken. Einen großen Teil dazu beigetragen haben meine Urlaube nach Ruanda (17.-24.Dezember) und nach Sansibar (25.12.-7.01.2014).
Ruanda- Eine Bevölkerung im Schutze des Staates
Am Dienstag, dem 17.12., fahre ich mit Carl, einem weiteren Freiwilligen aus Biharamulo, nach Ruanda. Wir starten nach dem Skype Gespräch mit Clemens Mulokozi (8 Uhr). Auf dem Weg nach Ruanda geht es die ersten 300 Km auf Schotterwegen bis zur Grenze. Und wie immer mit mehr lustigen Bekanntschaften als vorhandenen Plätzen erreichen wir die Grenzstadt um 18 Uhr. Die Überquerung der Rusumo Falls, die vom Kagera-Nil gespeist werden, sind überwältigend. Diese Brücke stellt zugleich die Grenze der beiden Länder heraus. Wir steigen in den Bus ein, der uns zur Hauptstadt Ruandas bringen soll – Kigali. Sofort fällt die Qualität der Straßen auf. Wenige Kilometer nach dem Grenzübergang befindet sich ein Flüchtlingscamp. Grund dafür ist der anhaltende und nicht militärische Konflikt zwischen Ruanda und Tansania. Viele Ruander, die aufgrund des Genozids (1994) nach Tansania geflüchtet sind (ca. 800.000), müssen wieder zurück in ihr Heimatland. Vor mehreren Monaten beschlossen Kikwetwe und Kagame, die beiden Präsidenten der Länder, dass alle ehmaligen Flüchtlinge, die bis dato keine tansanische Staatsbürgerschaft haben, zurück nach Ruanda müssen. Ungeachtet ihrer Familie, Freunde und Arbeit in Tansania. Es betrifft laut dem Nachrichtenportal „Deutsche Welle“ mindestens 32.000 Menschen. Seitdem ich angekommen bin (August) gab es auch zunehmend Personenkontrollen in Bussen. Da Kagera die an Ruanda grenzende Region ist, lebt hier der Großteil der ehmaligen Flüchtlinge. Es ist grausam anzusehen, wie Leute aus ihrem Leben gerissen werden. Andere Freiwillige erzählen von Ständen,die plötzlich nicht mehr da sind oder wie Personen aus dem Bus entfernt werden. Auf meiner Rückfart nach Tansania habe ich etwas Ähnliches erlebt.
Nun ja, angekommen in Kigali treffen wir Louisa, eine Freiwillige aus der Großstadt. Wir können bei ihr schlafen. Am nächsten Morgen zeigt sie uns die Stadt. Es könnte auch Köln oder Hamburg sein. Die Stadt ist modern, sauber, groß und absolut „westlich“. Das Polizei-, oder vielmehr Militäraufgebot, ist der Wahnsinn. Alle 300 Meter steht ein Militärposten und alle 10 Minuten kommt eine Patroullie von 8 Männern entgegen. Alle sehr gut ausgerüstet. Für mich ist dieses Bild erschreckend. Wenn man mit Ruandern darüber spricht, ist es für sie ein Teil von Sicherheit und gibt ihnen ein Stück weit Freiheit. Ich denke während meiner Zeit viel über Freiheit nach und will mir auch nicht anmuten, ein Urteil darüber zu bilden. Während der Unterhaltung mit Freiwilligen stellt sich heraus, dass Kagame, der Präsident, diktatorische Züge in das Land gebracht hat. Der Staats- und Sicherheitsapparat soll einschüchtern – was funktioniert. Selbstverständlich: Straftaten bleiben größtenteils aus, aber zu welchem Preis?
Wenn man aus Tansania direkt nach Kigali fährt, ist es ein leichter Kulturschock. Es gibt einen deutschen Supermarkt, Hochhäuser und viele Touristen. Nach einem kurzen Stadtrundgang und dem ersten Döner seit 5 Monaten fahren wir in das Genozid Memorial Center. Es ist als Andenken der Opfer des Genozids errichtet worden und soll zur Aufklärung beitragen. Das Museum ist sehr gut konzeptioniert und dennoch sehr beklemmend. Zum Beispiel hängen in einer großen Halle Bilder von den getöteten Tutsis.
Im Anschluss an das Museum fahren Calle und ich zurück in die Stadt und kochen mit und für Louisa. Es ist toll, dass die Freiwilligengemeinschaft über ganz Ost-Afrika verbreitet ist. Somit hat man eigentlich immer einen Schlafplatz und Anlaufpunkte.
Dies führt Carl und mich auch dazu, am nächsten Tag (Donnerstag) nach Gisenyi zu fahren. Gisenyi liegt direkt an der Grenze zum Kongo und der Großstadt Goma. Der Lake Kivu teilt die beiden Länder. De Stadt liegt 150 Km von Kigali entfernt. Die Landschaft dorthin ist wunderschön. Viel grüner, hügliger, aber auch kälter als Tansania. Aufgrund der hohen Einwohnerzahl (11 Mio), gemessen an der geringen Fläche (kleiner als Brandenburg), wird gefühlt jeder Zentimeter durch die Agrarwirtschaft genutzt. Wenige Kilometer vor Gisenyi gibt es auch hier wieder ein großes Flüchtlingscamp. Wie Ihr sicherlich mitbekommen habt, gab es starke Unruhen durch die M-23-Rebellen auch in Gisenyi. Das Militäraufgebot ist hier umso stärker und es liegt eine angespannte Stimmung in der Luft. Jedoch ist die Stadt und der See einfach nur traumhaft. Die Freiwilligen, bei den wir unterkommen, mussten aufgrund von Granateneinschlägen in der Stadt evakuiert werden und wurden in die Botschaft nach Kigali gebracht. Das Haus der meisten Freiwilligen liegt direkt am Kivu Lake und die Urlaubsstimmung ist unaufhaltbar.
Am Freitag gehen wir auf ein Festival in der Innenstadt. Als wir ankommen, werden jedoch die Eingänge versperrt. Den Grund kann uns keiner sagen. Auf einen Schlag stehen 10er Gruppen von Polizisten an den Ein- und Ausgängen. Die kleine Machtdemonstration führt auch vereinzelt zu heftigen Diskussionen. Zu den vermeintlichen „Touristen“, zu uns, sind die Polizisten dennoch nett und beherrscht. Erst als man nach dem Grund für die Schließung der Eingänge fragt, wird man harsch angefahren und muss den Platz räumen. Aus einem, für jeden, unerklärlichen Grund wird der Eingang dann doch wieder frei gemacht. Die 20 minütige „Showeinlage“ des Polizeiapparates belegt jedoch ganz gut meine vorher gesammelten Erfahrungen. Der Staat scheint nach Ansicht der Regierung nur zu funktionieren, wenn absolute und ausnahmslose Sicherheit besteht. Dies führt zu einer von der Gesellschaft nicht getragenen Polizeigewalt. Das Festival jedoch ist sehr amüsant und die Stimmung ist durchweg harmonisch.
Am Sonntag fahren Carl und ich zurück nach Tansania. Als wir nach der fünfstündigen Fahrt an der Grenze stehen, fällt mir auf, dass wir noch den Wohnungsschlüssel einer Freiwilligen aus Kigali haben. Aus diesem Grund fahre ich alleine zurück nach Kigali. Als ich nach einer sehr langwierigen und anstrengenden Fahrt wieder an der Grenze bin, ist es dunkel und ich habe Glück, denn die tansanische Behörde hat noch geöffnet. Als ich am Übergang zu Tansania bin, kommt mir ein Polizeiwagen entgegen. Er lädt fünf ruandische Freiwillige aus. Diese waren „illegal“ in Tansania. Die Polizisten beider Länder tauschen sich aus und verhalten sich so, als ob sie eine Jagd gemacht hätten. Es ist einfach nur widerlich und abstoßend. Ich bin froh, die Grenze nach Tansania überquert zu haben. Das Nachtfahrtverbot zwingt mich jedoch dazu, in der Grenzstadt zu übernachten.
Am nächsten Tag (23.12.) geht es dann endlich nach Bukoba und es ist wie so oft nach Reisen: Ich bin froh wieder zuhause zu sein, denn das ist Bukoba für mich mittlerweile. Der Ausflug nach Ruanda hat mir viele politische, gesellschaftliche und kritische Einblicke gewährt. Die Menschen und die Landschaft waren unfassbar schön und sicherlich werde ich wieder kommen. Dennoch bin ich froh, Freiwilliger in Tansania zu sein.
Ohne es bemerkt zu haben, steht Weihnachten vor der Tür. Die meisten Freiwilligen der Region treffen sich aus diesem Grund und wir verbringen einen netten Abend ohne wirkliche Weihnachtsstimmung – denn die kommt meistens mit der Kälte und dem Schnee. Am 25. Dezember geht es los nach Sansibar. Darüber berichte ich dann im zweiten Teil meines Urlaubsberichtes.