Nach unserem Sprachseminar gehen wir alle zusammen in der Stadt essen. Dort treffen wir weitere Freiwillige aus England. Mit dabei ist auch Jeremy, der in England aufgewachsen ist und Astrophysik studiert hat. Er ist nur zu Besuch hier, weil seine Schwester am Samstag in Bukoba heiratet. Der Vater, vor Jahrzehnten nach England ausgewandert, wolle die tansanische Tradition weiterführen und ist aus diesem Grund mit der ganzen Familie nach Tansania geflogen. Jeremy wirkt sehr erfreut, dass er noch weitere junge Leute in Bukoba gefunden hat und lädt uns zu der Hochzeit seiner Schwester ein.
Besser gesagt ist es nicht die Hochzeit: In der tansanischen Kultur gibt es zwei Zeremonien, welche die Zusammenführung der Eheleute beschließen. Der erste Akt ist die Verabschiedung der Braut von der Familie. Hierbei verabschiedet die Familie in einer langen, traditionell und vom Herkunftsstamm abhängigen Zeremonie die Braut und übergibt diese in die Hände des Mannes und somit in die neue Familie. Der zweite Teil ist dann die Hochzeit im eigentlichen Sinne. Am Samstag findet Veronicas (Name der Schwester) Verabschiedung statt. Überall in der Stadt sind Plakate und Spruchbänder angebracht, auf denen Prinzessin Veronica und ihre Gäste begrüßt werden.
Erst recht spät merke ich, dass wir zu genau dieser Hochzeit eingeladen sind. Wir treffen Jeremy Freitag Abend und er erzählt uns, warum er nicht in Tansania aufgewachsen ist und was sein Vater beruflich macht. Herr Rogers ist ein reicher, sehr angesehener Mann in Tansania und gleichzeitig König der Haya. Die Haya sind der größte Stamm in der Region Kagera. Der Präsident Julius Nyerere vereinte nach dem Erlangen der Unabhängigkeit (1961) die mehr als 30 angesiedelten Stämme zu der Republik Tansania und entmachtete die Könige der Stämme. Zuvor war die Familie von Jeremy und somit auch von Herrn Rogers König der Haya. Noch heute gibt es viele Haya in Kagera, die zu ihrem Stamm, ihrer Tradition und selbstverständlich auch zu ihrem König stehen. Ab dann ist mir auch klar, warum überall die Plakate hängen.
Am Samstag morgen werden wir mit einem Shuttle zu der Hochzeit gefahren. Es ist ein riesen Festzelt aufgebaut. Daneben befindet sich ein bombastisches Gebäude, das noch nicht fertig gestellt ist (nähere Informationen später). Das einzige Problem; wir sind viel zu früh. Oder anders gesagt: Die Veranstalter sind gerade dabei das Podest aufzubauen und es ist noch nicht einmal annähernd fertig. Was in Deutschland ein mittelschweres Drama bei der Braut hervorgerufen hätte, ist hier völlig normal und wird gelassen genommen. Mit drei Stunden Verspätung kann es los gehen und die Braut trifft ein. Die Zeremonie ist langwierig und ist gestückt von vielen Stammestänzen. Jeremy, dem die Kultur aufgrund seines Geburts- und Wohnlandes genau so wenig sagt wie uns, wirkt ein wenig gelangweilt und belustigt über die nunmehr sechs Stunden andauernde Zeremonie. Nachdem traditionell Geschenke übergeben werden, ist die Verabschiedung der Braut vorbei.
Im Anschluss führt uns Jeremy in den Gebäudekomplex, den sein Vater gerade für umgerechnet mehrere Millionen Dollar baut. Das Gelände ist 25 Hektar groß und die Aussicht einfach nur atemberaubend. Sein Vater hat das Ziel, dass seine Kinder und Enkel enger mit ihrem Herkunftsland verbunden sind.
Die Bauarbeiten sollen Mitte nächsten Jahres beendet sein. Nach der beeindruckenden Besichtigung fahren wir nach Hause, um uns für die Party bereit zu machen. Diese findet wieder im Festzelt statt und beinhaltet gute Musik und viel Essen. Nach einem wunderschönen Tag mit vielen beeindruckenden Erlebnissen und meiner ersten traditionellen Hochzeit gehe ich schlafen.
Jeremy werden wir nächstes Jahr wiedersehen. Er fährt am nächsten Morgen zurück nach England. Dort wird seine Schwester in einer Woche europäisch heiraten. Im nachhinein ist er überrascht, dass es sogar in Bukoba nette und gleichgesinnte Leute gibt. Er wird uns auf jeden Fall mal in Deutschland besuchen kommen.
Wie ihr sicherlich gemerkt habt, bin ich was die Beiträge angeht eine Woche verspätet. Die vergangene Woche werde ich euch in den nächsten Tagen schildern. Denn auch in diesen habe ich viel erlebt. Ich habe Bukoba und die tansanischen Menschen ins Herz geschlossen. Es sind schon 1,5 Monate meines Aufenthalts in Tansania verstrichen.
Badai!! (Bis bald!)